ARD lässt Tour de France abblitzen
von Joachim Hofer und Hans-Peter Siebenhaar
Der Radsport wird bei der ARD künftig in die Röhre gucken. Das Erste wird nicht wie früher im großen Stil über den wichtigsten Radrennwettbewerb, die Tour de France, im Sommer berichten. "Wir haben eine Beschlusslage, dass es bei der Tour de France keine flächendeckende Live-Berichterstattung geben wird", sagte ARD-Programmdirektor Volker Herres dem Handelsblatt. Damit beendet der seit November amtierende Programmchef eine monatelange Diskussion, ob die ARD vielleicht doch noch ausgiebig von der Tour berichten wird.

Das Logo der Tour de France: Die ARD wird nicht im großen Stil übertragen. Foto: dpa
MÜNCHEN. Komplett wird der Radsport allerdings nicht aus dem Programm des Ersten verschwinden. Die ARD plant, in Nachrichtensendungen wie "Tagesschau" und "Tagesthemen" im Kurzstil über den einstigen Publikumsliebling Tour de France zu informieren. "Nachrichtlich werden wir über die Tour de France in den aktuellen Sendungen berichten", sagte Herres und fügte an: "Wie umfangreich, das hängt von der jeweiligen Nachrichtenlage ab. Aber eines steht fest: eine großflächige Live-Berichterstattung haben wir in diesem Jahr nicht vor."

Die unnachgiebige Haltung der ARD ist eine bittere Pille für Tour-Veranstalter ASO, für den deutschen Radsportverband und internationale Sponsoren. Herres zeigte sich allerdings offen für weitere Verhandlungen: "Wir führen derzeit Gespräche mit der EBU und den Radsportverbänden darüber, in welcher Form wir von der Tour de France im Sommer berichten werden."

In der vergangenen Woche war im Radsport über eine Rolle rückwärts bei der Tour spekuliert worden. In der ARD gibt es eine Kontroverse: Vor allem kleinere Sender wie der Saarländische Rundfunk drängen auf eine umfangreiche Übertragung. "Selbstverständlich wird es eine Berichterstattung geben, wenn auch Art und Umfang noch offen sind", sagte der Saarbrücker ARD-Radsportsprecher Peter Meyer.

Er ist ein Vertrauter des Intendanten des Saarländischen Rundfunks, Fritz Raff. Meyer sagte noch vor wenigen Tagen, dass Live-Berichte von täglich einer Stunde grundsätzlich denkbar seien.

Auch der sportbegeisterte Präsident der Europäischen Rundfunk-Union (EBU), Fritz Pleitgen, gilt als Freund einer breiten Berichterstattung über die Tour. Der frühere WDR-Intendant hatte den Vertrag mit der ASO über die Rechte des Radwettbewerbs von 2009 bis 2011 eingefädelt. Diese Rechte kosten die ARD und das ZDF für drei Jahre rund 20 Mio. Euro. Die ARD ist allerdings der Auffassung, dem Vertrag nicht beigetreten zu sein. "Nach den EBU-Regeln hat die ARD einen Vertrag geschlossen", sagte Pleitgen noch im Herbst. Auch das ZDF vertritt eine ähnliche Haltung. "Wir stehen zum Vertrag mit der EBU", sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender dem Handelsblatt gestern. Zum Vertrag gehöre, dass ARD und ZDF das Radrennen abwechselnd live übertragen.

Das ZDF will aber bei einem ARD-Boykott das Radrennen nicht zeigen. Das Zweite will die Tour nur live zeigen, wenn auch das Erste mit von der Partie ist. "Wenn die ARD aussteigt, müssen auch wir aussteigen, und zwar aus finanziellen, programmlichen und produktionstechnischen Gründen", kündigte ZDF-Chefredakteur Brender an.

Die Frankreich-Rundfahrt war durch immer neue Dopingfälle in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. "Der sportliche Wert der Tour de France hat sich aufgrund der gehäuften Dopingfälle erheblich reduziert", kritisierte der frühere ARD-Vorsitzende Raff angesichts von neuen Dopingfällen beim deutschen Radteam Gerolsteiner im vergangenen Jahr. Die Einnahme des Epo-Präparats Cera durch Team-Mitglieder war der Grund, warum ARD und ZDF im Jahr 2008 aus der Live-Berichterstattung ausstiegen.

Der Profiradsport in Deutschland ist dringend auf ARD und ZDF angewiesen. Alternativen gibt es nicht. Sowohl die RTL-Sendergruppe als auch Pro Sieben Sat 1 haben angesichts des schwachen Zuschauerinteresses in Deutschland kein Interesse an der Tour.

Handelsblatt



Misschien ook interessant: